Schwarz-weiß-Denken – ganz schlechte Idee


 Hatori    30.10.2024 - 17:10
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Negative Denkmuster bringen keinen Fortschritt.

Wenn Du den Text nicht lesen magst, findest Du ganz unten das Video dazu.

Wie bin ich auf dieses Thema gekommen? Nun, vor einiger Zeit habe ich ein Spiel gespielt, in dem man Entscheidungen treffen muss. In den meisten PC-Spielen, speziell Rollenspielen, ist man entweder der Gute oder der Böse, nicht so in diesem Spiel, später mehr dazu (Disciples: Liberation auf Steam).

Schauen wir uns zunächst an, was die Wissenschaft zu diesem Thema sagt und wie sie es definiert.

Das Schwarz-weiß-Denken, auch bekannt als dichotomisches Denken, ist ein Begriff aus der Psychologie und wird oft als kognitive Verzerrung beschrieben. Es bezeichnet eine Art des Denkens, bei dem Menschen die Welt in extremen Gegensätzen wahrnehmen und bewerten – ohne Zwischenstufen oder Graubereiche. Wissenschaftlich betrachtet fällt dieses Denken unter kognitive Verzerrungen, welche zu vereinfachten, oft fehlerhaften Schlussfolgerungen führen können.
Schwarz-weiß-Denken ist eine Form des dichotomen Denkens, bei der komplexe Informationen oder Situationen stark vereinfacht werden und nur in den Polen "gut oder schlecht", "richtig oder falsch", "erfolgreich oder gescheitert" wahrgenommen werden. Die Fähigkeit zur Differenzierung zwischen verschiedenen Abstufungen geht hierbei verloren. Dies führt dazu, dass Menschen sich auf extrem positive oder negative Bewertungen konzentrieren und Nuancen, die die Realität oft ausmachen, übersehen.

In der Psychologie und Psychotherapie wird Schwarz-weiß-Denken oft mit Störungen wie Depressionen, Angststörungen oder Borderline-Persönlichkeitsstörungen in Verbindung gebracht. Es kann dazu führen, dass Betroffene sich und andere überkritisch bewerten oder keine positiven Entwicklungen wahrnehmen können, wenn sie nicht perfekt erscheinen.

Wissenschaftlicher Kontext
In der kognitiven Verhaltenstherapie wird das Schwarz-weiß-Denken als negative Denkmuster identifiziert und als Ansatzpunkt für eine kognitive Umstrukturierung genutzt. Ziel ist es, den Betroffenen zu helfen, mehr differenzierte Perspektiven einzunehmen, und ihnen zu zeigen, dass viele Aspekte des Lebens weder vollständig positiv noch vollständig negativ sind.

Kurz zurück zu dem bereits erwähnten Spiel. Man muss praktisch ständig Entscheidungen treffen. Und wer ein sehr emphatisches Empfinden hat und eben dieses Schwarz-weiß-Denken dazu kommt, wird früher oder später ziemlich verzweifelt sein. Warum? Weil man mit jeder Entscheidung genauso der Gute wie auch der Böse ist. Jede Fraktion im Spiel verfolgt zwar Ziele, die für sie selbst „gut“ sind, aber dabei bezeichnen sie alle anderen als „böse“. Kompromisse Fehlanzeige.

Und wenn wir uns nun der Realität zuwenden, dann sehen wir genau dieses Verhalten heute bei vielen Menschen. Und das in so gut wie allen Bereichen des Lebens. Putin ist böse, Selensky der Gute, Trump ist böse, Harris die Gute, Atomkraft und fossile Brennstoffe sind böse, erneuerbare Energien sind gut. Und jeder, der anderer Meinung ist, ist entweder dumm, rechtsextrem oder fehlgeleitet. Aber oft ist es auch von der anderen Seite her nicht viel besser, nur eben mit umgekehrten Aussagen. Ein Beispiel gefällig?

In der Klimadebatte begegnet man fast nur noch Schwarz-weiß-Denken, zum Beispiel in Aussagen wie „Wer gegen Atomkraft ist, ist gegen den Klimaschutz“ oder „Nur erneuerbare Energien sind die Lösung“. Solche Positionen lassen wenig Raum für eine differenzierte Betrachtung von Übergangslösungen oder anderen, ergänzenden Technologien. Ebenso wird Klimaschutz manchmal als Bedrohung für die Wirtschaft dargestellt, wobei Kompromisse oder Innovationen ignoriert werden.

Ein anderes Beispiel wäre die Migrationspolitik, in Deutschland fälschlicherweise als „Asylpolitik“ bezeichnet. Die linke Seite des politischen Spektrums ist dafür, am Liebsten wollen sie die ganze Welt in Deutschland sehen. Die andere Seite ist - in Teilen - komplett dagegen und wollen gar keine Ausländer.

Beides ist – meiner Meinung nach – falsch. Aber woher kommen solche beidseitig extremen Vorstellungen? Nun ja, die Ursachen sind mannigfaltig. Die Menschen sind relativ leicht manipulierbar und beide Seiten tun das auch, sie manipulieren. Ob nun im ÖRR, in den sozialen Medien oder auch in persönlichen Gesprächen. Es werden die Standpunkte immer und immer wieder gepredigt.

Und ich sage bewusst „gepredigt“. Denn von Diskussionen sind wir weiter entfernt als je zuvor. Was wir heute als „Diskussionen“ vorgesetzt bekommen, sind entweder fünf Leute, die sowieso schon derselben Meinung sind oder aber, wenn mal verschiedene Standpunkte aufeinander treffen, dann hat man das Gefühl, zwei Lokomotiven treffen mit voller Wucht aufeinander. Man hört sich nicht mehr gegenseitig zu sondern poltert einfach drauf los. Auf diese Art und Weise, die ihre Ursachen in eben dem „Schwarz-weiß-Denken“ hat, sind Kompromisse unmöglich. Schauen wir uns mal eine Definition von „Kompromiss“ an:

Ein Kompromiss ist eine Übereinkunft zwischen zwei oder mehr Parteien, bei der alle Beteiligten Zugeständnisse machen, um eine für alle akzeptable Lösung zu finden. Dabei gibt jede Seite einen Teil ihrer ursprünglichen Position oder Forderung auf, um eine Einigung zu ermöglichen und Konflikte zu vermeiden.

Voraussetzung dafür ist jedoch, dass man sich mit den Positionen des jeweils anderen beschäftigt und diese versteht. Dann, und nur dann, kann man sachliche, fachgerechte Argumente bringen um dem jeweils anderen zu zeigen, in welchen Punkten man nicht mit ihm übereinstimmt. Und ich meine wirkliche, echte, belastbare, nachvollziehbare Argumente und nicht ein einstudiertes blahblahblah, welches nur die eigene Unterkomplexität aufzeigt. Und genau das ist vollständig verloren gegangen, eine Diskussionskultur, wie wir sie in meinem Alter, also die ältere Generation noch kennen, gibt es nicht mehr. Niemand hört mehr zu, die Aufmerksamkeitsspanne bei Aussagen der „Gegenpartei“ tendiert gegen Null. Man muss die Meinung der anderen nicht mögen, man sollte sie aber akzeptieren und aushalten - nennt sich übrigens Demokratie. Wenn man dazu bereit ist, wird man auch bereit sein, darüber nachzudenken. Und dann kommt vielleicht die Erkenntnis, dass nicht alle eigenen Standpunkte völlig korrekt sind. Und wenn die andere Seite dasselbe tut, kommt man einem Kompromiss schon näher.

Fazit:

Verabschiedet man sich vom „betreuten Denken“ und benutzt wieder das eigene Gehirn, wird man sehr schnell erkennen, dass die Welt eben nicht nur schwarz oder weiß ist sondern extrem viele Grautöne enthalten sind. Also die Ohren dazu nutzen, wofür sie von Mutter Natur gedacht wurden – zuhören. Dann die aufgenommenen Informationen mit dem eigenen Gehirn verarbeiten und mit eigenen Erfahrungen vergleichen. Und ganz zum Schluss, wenn der vorherige Vorgang abgeschlossen ist, den Mund öffnen und Argumente dagegen, dafür oder für einen Kompromiss bringen. Und ja, das ist anstrengend, mit der Zeit wird man aber feststellen, dass diese Methode deutlich befriedigender ist, als immer nur das nachzuplappern, was einem andere vorgekaut ins Hirn stecken wollen.

Soviel für heute und wie ich immer sage ... einfach mal drüber nachdenken.