Vertrauen


 Hatori    01.01.2020 - 08:00
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Vertrauen ist keine Einbahnstraße und es ist unabdingbar (nicht nur) in den Kampfkünsten

Zunächst einmal wünsche wir vom Kuroi Fenikkusu Dojo allen ein gutes, glückliches, erfolgreiches und vor allem gesundes neues Jahr. Lasst uns mit neuer Energie ins neue Jahr gehen, unser Training mehr und mehr verbessern, uns selbst und unsere Lehrer stolz machen. Vergesst nur bei allem Stolz nicht, dass jeder von uns noch viel zu tun hat.

Es war eigentlich ein anderes Thema für diesen Monat vorgesehen, das gibt es dann nächstes Mal. Auf Grund eigener Erfahrungen der letzten Wochen, Monate und Jahre habe ich diesen Artikel geschrieben und denke, er passt auch gut zum Beginn eines neuen Jahrzehnts.

Vertrauen ist etwas, was nicht von allein und selbstverständlich vorhanden ist - es muss erworben und immer und immer wieder neu verdient werden. Bei manchen Menschen braucht es Monate oder Jahre, bis sie einem anderen überhaupt etwas Vertrauen entgegenbringen. Viel schlimmer aber ist, das es dann nur weniger Sekunden bedarf, das aufgebaute Vertrauen zu zerstören - absichtlich oder auch durch Unbedachtsamkeit. Und dann wird es richtig problematisch. Otto Fürst von Bismarck sagte dazu: "Das Vertrauen ist eine zarte Pflanze. Ist es einmal zerstört, so kommt es so bald nicht wieder."
Ist dieses Pflänzchen zerstört, hilft oft auch Turuk Makto nicht mehr (wer den Film Avatar kennt, weiß, was gemeint ist). Man wird Menschen verlieren, die einem eigentlich wichtig sind oder man wird genau solche Menschen wegschicken, je nachdem, auf welcher Seite der Vertrauensbruch stattgefunden hat.
Ich komme jedem Menschen mit einem gewissen Grundvertrauen entgegen. Das heißt nicht, dass ich ihm gleich meine ganze Lebensgeschichte erzähle, dazu braucht es dann schon einiges mehr, aber ich nehme auch vorerst alles als Wahrheit an, was man mir erzählt. Mit der Zeit lernt man Menschen besser kennen und das Vertrauen wird stärker - oder auch nicht.

Kommen wir zu den Kampfkünsten. Warum braucht es ausgerechnet hier ein bedingungsloses Vertrauen? Eigentlich die falsche Frage, Menschen sollten sich immer vertrauen können, klappt aber leider nicht immer, kommen wir weiter unten nochmal drauf zu sprechen.

Das Vertrauen zwischen Lehrer und Schülern muss vorhanden sein. Wenn die Schüler dem Lehrer nicht vertrauen können, wem dann? Wenn der Lehrer seinen Schülern nicht vertrauen kann, wem dann? Und wenn die Schüler sich untereinander nicht vertrauen, wie sollen sie effektiv üben?
Wenn ich als Lehrer sage: "Klettert auf diesen Baum / Stein, springt runter und rollt nach vorn ab.", dann muss der Schüler darauf vertrauen können, dass es Sinn macht, das zu üben. UND die Schüler müssen sich darauf verlassen können, dass ich niemanden hochklettern lasse, von dem ich genau weiß, er kann die Rolle am Boden noch nicht, von der Rolle aus dem Sprung gar nicht zu reden. Und so gibt es viele Beispiele, ich trage die Verantwortung und die Schüler vertrauen darauf, dass ich weiß, was ich tue. Jeder Mensch macht Fehler, doch an dieser Stelle, wo es um Vertrauen geht, sollte man sehr langsam und sehr vorsichtig voran gehen, ansonsten geht es weit rückwärts.

Andersrum ist es aber ebenso. Wenn mir jemand sagt, er muss für die Schule was wichtiges machen und kann deswegen nicht zum Training kommen ... und ich kriege später raus, dass die "Schularbeit" eine Party war, wie soll ich dann darauf vertrauen, dass er/sie das nächste Mal die Wahrheit sagt? Wenn mir jemand sagt, er hat Schmerzen im Knie, im Rücken, wo auch immer und kann die oder jene Übung nicht machen ... und ich merke später, er war nur zu faul dafür, wie soll ich dann beim nächsten Mal glauben, dass ich tatsächlich Rücksicht nehmen sollte? Und auch hier gibt es dutzende Beispiele, die man anbringen könnte, aber ich denke, Ihr habt schon verstanden, worauf ich hinaus will.

Wer keine Lust auf Training hat, soll das ehrlich sagen, der Lehrer wird nicht begeistert sein, aber das Vertrauen bleibt, zumindest das in die Ehrlichkeit. Und als Lehrer solltet Ihr nie etwas verlangen, wovon Ihr nicht sicher wisst, dass es machbar ist, ansonsten werden die Schüler schnell Euren Anweisungen nicht mehr vertrauen.

Und die Schüler untereinander? Wenn einer dem anderen nicht vertraut, wie sollen die beiden dann effektiv üben? Wer stellt sich einem anderen als Tori gegenüber, wenn man nicht sicher sein kann, dass der als Uke seinen Bokken handhaben kann und nicht gleich durchzieht? Wer will den Uke darstellen, wenn er sich nicht sicher sein kann, dass Tori den Hebel, den Schlag, welche Technik auch immer, nur soweit zieht, wie es der Gesundheit nicht abträglich ist? Niemand will das tun, das Training wird also keinen Effekt haben. Es gehört besonders viel Vertrauen dazu, mit jemandem zu üben, den man nicht kennt, von dem man nicht weiß, wie er/sie reagieren wird. Hier ist ein gewaltiger Vertrauensvorschuß notwendig. Diesen hat man aber nur, wenn man diesen nach uncd nach im Training aufbaut. Natürlich gehören auch die eigenen Fähigkeiten dazu, aber hier geht es ja um Vertrauen zu anderen.

Es gibt auch Fälle, wo man unbedingt vertrauen WILL, auf Biegen und Brechen - tut das nicht. Das führt nur dazu, dass der Vertrauensbruch am Ende so tief geht, dass er nie zu reparieren ist - ich weiß, wovon ich rede. Wenn Ihr als Schüler merkt, das Vertrauen zum Lehrer schwindet, dann redet mit ihm. Findet sich kein Weg der Besserung, dann sucht Euch einen anderen Lehrer, auch wenn es vielleicht schmerzt. Andersrum genauso, ein Lehrer muss sich in (hoffentlich) seltenen Fällen, von einem Schüler trennen, in seinem Interesse, im Interesse des Schülers und auch im Interesse der gesamten Gruppe. Und vielleicht - und nur vielleicht - bringt das Schüler bzw. Lehrer zum Nachdenken und man setzt sich zusammen und redet. Kommunikation, auf ehrlicher Basis, wirklich alles, auch schmerzliches auf den Tisch legen, ist die Grundlage von Vertrauen und hilft über einige Tiefen hinweg.

Noch wichtiger aber ist, was jeder gerade aus dem Kampfkunsttraining für das "normale" Leben lernen kann - es gibt Menschen, denen man vertrauen kann. Dieses Vertrauen untereinander wird von der Gesellschaft, besser gesagt von den Eliten der Gesellschaft, aber nicht gewünscht. Ich sage es mal mit Star Wars: "Die dunkle Seite versucht Euch einzureden, Ihr wärt alleine und ihr glaubt das, deswegen verliert Ihr. Aber Ihr seid nicht alleine, Ihr seid viele und wenn Ihr zusammenhaltet, wird die dunkle Seite verlieren." Genau so funktioniert es in der Gesellschaft. Die Eliten versuchen mit allen Mitteln, die Menschen in kleine Gruppen zu spalten und diese Grüppchen dann gegeneinander auszuspielen. Harz IV-Empfänger gegen Geringverdiener, Geringverdiener gegen Menschen mit "normal" bezahlten Jobs usw. Und die Eliten sind gut darin, sie haben die Mittel (Geld, Medien, Korruption) und sie haben das Wissen.
Wenn nun einige dieser Grüppchen merken, dass andere Grüppchen gar nichts dafür können, was gerade mit ihnen geschieht, dann fangen sie an, Vertrauen untereinander aufzubauen. Und aus vielen kleinen Grüppchen wird eine große Gruppe. Und davor haben die Eliten panische Angst, denn ein Prozent der Bevölkerung (Eliten) ist absolut machtlos, wenn die anderen 99% zusammenhalten und einfach nicht mehr tun, was ihnen gesagt wird. Dazu gehört aber Vertrauen. Solange jeder Mensch dem anderen misstraut, wird nichts aus dem Befreiungsschlag.

Vertrauen ist eine der Grundlagen des friedlichen Miteinanders, ob nun in der Familie, einem Dojo (meiner Familie), einem Verein oder in der Gesellschaft.

... mal drüber nachdenken ...